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Simone is back

Simone lebt in einer 1,5 Zimmer Wohnung, die momentan vom Amt bezahlt wird. Finanziell ist sie jeden Monat mit dem „Arsch an der Wand“, ein Ausdruck, den ihr das Leben auf der Straße beigebracht hat. Sie wird die Zeit nicht vergessen, in der sie betteln musste und immer die Lügen und Ausflüchte, wie „Kein Kleingeld“ oder „Gerade dem Kollegen schon was gegeben“ zu ertragen hatte. Erstens hatte sie keinen „Kollegen“ und zweitens hätte ein ehrliches „Nein, ich gebe nichts“ beide Seiten auf dem Pfad der Tugend bleiben lassen können. Am meisten „mochte“ sie die Leute, die ihr einen Euro in die Hand drückten und meinten, sie könnten über dessen Verwendung bestimmen. „Aber nicht versaufen“ oder „Keine Drogen dafür kaufen“ kam dann als Kommentar. Und glauben die echt, dass sich jeder auf der Straße das Abendessen auf dem Löffeln warm macht? Beim Alkohol verhält sich das anders, aber der ist ja in der Gesellschaft normal, als Droge gilt der komischerweise nicht. Sie hatte dem Alkohol vertraut, aber der hatte sie enttäuscht. Er brachte ihr ein Leben, das an eine Flipperkugel erinnert, mit torkeln, anecken, Kontrollverlust, manchmal bis zum Multiball und am Ende der Social Battery auf Rot. Sie hatte früher als Paartherapeutin, der modernen Trümmerfrau für Paare, viele Beziehungen gerettet, aber bei ihrer mit der Gesellschaft hatte sie keine Chance. Von der Villa zum Bordstein, nun zurück in die Zivilgesellschaft, dank Jürgen dem Streetworker. Er sah das Gute in Ihr, nicht das Wrack, das Jim und Johnny aus ihr gemacht haben. Er besorgte ihr eine Wohnung, einen Job und gab ihr die Menschenwürde zurück, von der sie dachte, sie hätte sie nie verloren, aber sie war schon lange auf der Strecke geblieben. Sie wollte sie festhalten, aber irgendwann ließ sie einfach los. Sie wünscht sich, dass alles ein bisschen besser wird und weniger Menschen anonym auf der Straße ihr Leben lassen, ob erfroren, erschlagen oder elendig an den Sorgenvergessern zugrunde gegangen. Dass man ihnen etwas Würde entgegenbringt, ein nettes Wort gönnt, wenn das Geld schon nicht locker sitzt. Oder im Sommer mal Wasser hinstellt, im Winter vielleicht Tee oder Kaffee, wenn man Angst hat, der Euro versickert. Oder mal eine Obdachlosenzeitung kauft, um sich etwas mit dem Thema auseinanderzusetzen. Aber auf jeden Fall darauf verzichtet, sich den Menschen gegenüber, die schon ganz unten sind, einfach wie ein Querschläger der Evolution zu verhalten. Mensch sein, Mensch bleiben. Das wäre schön.

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