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Separatoren-Fleiß

Mein Nachbar Hamil hat sich vor ca. 1,5 Jahren ein Lastenrad gekauft. Ganz genau, diese Fahrräder mit dem Schweinetrog vorne, der bei dem Gefährt jegliche Ästhetik zerstört. Hamil hat es sich gekauft, um den Bauschutt, der beim Umbau seines Hauses anfiel, kostengünstig und sehr umweltverträglich zu entsorgen. Mehrere Fahrten täglich schonten nicht nur seinen Geldbeutel und ließen seinen Bauch verschwinden, sondern brachten ihm auch einige Ideen ein, was mit diesem Fahrzeug nah der Umbauphase passieren könnte.

Eines Tages hatte er die Idee: Separator… Er erleichterte Paaren das Leben, die sich gerade getrennt hatten. Denn mit seinem Lastenrad ließen sich perfekt Dinge transportieren, die sich in einer Kurzbeziehung angesammelt hatten. Bei der heutigen Fluktuation durch das Online-Dating waren es häufig nur 1 bis 2 Umzugskisten, die bewegt werden mussten. Und es war schnelles Geld, denn es war ja meistens auf beiden Seiten gepackt, daher war es mit einer Hin-/Zurücktour erledigt. Hamils Dienste sprachen sich rum und man nannte ihn schon ehrfurchtsvoll den „fleißigen Separator“, denn niemand war bei Trennungen so schnell und effektiv, wie der gute Hamil.

So fuhr er bald Tag und Nacht, was den Bedarf immer noch nicht deckte. Deshalb kaufte er ein weiteres Lastenrad und stellte seinen Kumpel Jörg ein, der ihn fortan unterstützte. Er expandierte weiter mit der Einstellung von Zlatan und Dieter, denn mittlerweile konnte er sich nicht mehr vor Anfragen von aufs Tierwohl achtender Hochzeitspaare retten, die seine Dienste als Kutschenersatz buchen wollten und Brautpaare ja nun mal aus 2 Personen bestanden, was dann auch 2 Räder nebeneinander erforderte.

Hinzu kam Sandra, die für die Fahrten der Hebamme Xenia drei Häuser weiter zuständig war. Hierfür musste Hamil das Lastenrad extra anpassen, denn die alternative Kundschaft der Hebamme hatte einen neuen Trend für sich entdeckt. Die Hausgeburten sollten direkt in der Wanne des Gefährts stattfindet, damit sich die Sprösslinge von Geburt an daran gewöhnte, im Lastenrad befördert zu werden. Zum Glück aber nicht während der Fahrt, was die Sache etwas erträglicher machte.

Besonders gefragt sind immer die Wellness-Tage von Juni bis September. Immer samstags und sonntags sind da die Lastenräder mit Chill-Wannen ausgestattet, die mit Wasser gefüllt werden und bei denen der Fahrer durch Pusten in Mallorcastrohhalme ein wohliges Whirlpoolerlebnis für die umwelt- und körperbewusste Klientel schafft, die dann in Badekleidung durch die Stadt chauffiert wird.

Seit ein paar Wochen baut Hamil an einem besonderen Lastenrad, das mit einem verglasten Vorderkasten ausgestattet ist. Der Kasten ist komplett in weiß umrandetem Glas gehalten und verführt über eine Tür und einen extra tiefen Einstieg. Im Stadtteil erzählt man sich, dass Hamil die Anfrage aus dem Vatikan bekommen habe, ob es ihm möglich wäre, den Papst im nächsten Jahr durch Castrop-Rauxel zu fahren. Aber die Leute reden ja viel, wenn der Tag lang ist.

Hamil hat übrigens mittlerweile um die 40 Gefährte nebst angestellten Gefährten und müsste schon längst nicht mehr selber fahren, da er finanziell ausgesorgt hat. Aber da er im nächsten Jahr bei der Lastenrad- Tour de France teilnehmen will, muss er ja im Training bleiben. Bon Chance, Hamil.

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