thirdeyecollector

Halloween

Er hatte die Schubkarre abgesetzt, das Rad war noch warm und sein Shirt verschwitzt. 4 Kilometer hat er das Ding geschoben, bepackt mit 3 Prachtexemplaren mit einem Gesamtgewicht von etwa 65 Kilo. Als er sich gerade auf der Bank im Garten niedergelassen hatte, hörte er seine Frau Isolde schon schreien:

„Jürgen, was hast du denn da wieder für ein Gelumpe angeschleppt. Wir sind doch nicht bei den Kürbisrollern in Ami-Land, die dran rumschnitzen, wie so ein Alm-Öhi von einer Schluchtenscheisser-Alm im Allgäu. Und räum diese leuchtenden Plastik-Skelette aus dem Vorgarten. Nur weil du im Secondhand-Laden einen Harvard-Pulli gekauft hast, musst du nicht so tun, als hättest du da Medizin studiert.“

„Aber Isolde, ich mache das doch zur Freude der Nachbarskinder jedes Jahr so schaurig schön!“

„Du mit deinem „Süßes oder Saures“ wegen der Kids. Anstatt dass du mal wieder an „Lang und schmutzig“ denken würdest. Aber nein, die blöden Fake-Spinnenweben aus dem Ramschmarkt hängen in den schönen Rhododendren. Und erst die 40cm großen Plastik-Spinnen vom Kinderarbeit-Versand aus China. Jürgen wie alt bist du eigentlich? So langsam zweifele ich an deinem Verstand.“

Jürgen konnte das Gerede nicht mehr ertragen, ein dumpfer Schlag sorgte für Ruhe. Danach schaltete er die Elektronik des neu erstandenen Vampirsargs an, der mit einer markerschütternden Lache nebst sich aufsetzenden Vampir und Kunstnebel ausgestattet war. Aber das Highlight seiner Deko war Isolde, auf dem Rasen liegend, mit blutverschmiertem Hinterkopf, in der noch eine Gartenharke mit Stiel steckt.

Die Nachbarn waren begeistert, staunten über die (ihrer Meinung nach) originalgetreue Nachbildung, wunderten sich aber, dass sie Isolde schon ein paar Tage nicht gesehen hatten, da sie der Walli, der neugierigen Dorftratsche, die beim Athen-Grill hinter der Theke arbeitet, erzählt hatte, dass sie über Halloween daheim wäre. Jürgen wundert sich nicht und schnitzte in aller Ruhe bereits am 2. Kürbis.

Läge Isoldes Mutter nicht im Krankenhaus, wäre Isolde zu dieser Zeit wie jedes Jahr mit ihren religiösen Eltern auf ihrer alljährlichen Allerheiligen-Pilgerfahrt von Bad Salzdettfurt über Langbrechten-Billermark nach Sankt Lüttingen-Wemserad. Dann hätte Jürgen zwar nicht 10 Jahre ohne Bewährung bekommen, aber halt auch nicht den langersehnten Titel „Schaurigster Garten Deutschlands“ von der Michael-Myers-Stiftung.

Zurück