Der berühmteste Stillsteher Deutschlands ist tot. Edgar Wülleke starb bereits vor 4 Wochen, was allerdings erst gestern Abend aufgefallen ist, da man die Leichenstarre für sein Warten auf „Opfer“ hielt. In den letzten Jahren war er bei seinen Menschen in Ungnade gefallen, weil er sich in Klein- und Vorgärten, Parkanlagen und Modeläden totstellte und dann willkürlich Passanten durch eine mit Schreien untermalte, plötzliche Bewegung an den Rand eines Herzinfarktes brachte.

Edgar bemerkte sein Talent, bis zu 27 Stunden still und ohne jede Bewegung stehen zu können, bereits im Alter von 7 Jahren. Er besserte da schon sein Taschengeld durch kleine Jobs auf, etwa als mobile Absterrpöller verkleidet auf Großveranstaltungen. So konnte man auf teure mechanische Lösungen verzichten, um den berechtigten Fahrzeugen die Durchfahrt zu ermöglichen und die unberechtigten eben davon abzuhalten. Der größte Coup gelang ihm im Alter von 37 Jahren, als er für 23 Stunden das Y im Hollywood-Schriftzug „vertrat“, da dieses nach einem schweren Sturm repariert werden musste.
Durch dieses Ereignis erlangte Edgar Berühmtheit und wurde in alle wichtigen Fernsehsendungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeladen. Man engagierte ihn aber nur fürs Stillstehen, immer wieder begleitet vom Song „I‘m still standing“. Das führte dazu, dass er wohl die einzige Person im deutschen Fernsehen ist, von der man trotz insgesamt 137 Fernsehauftritten nicht die Stimme kennt, da er nie auch nur ein Wort gesagt hat. Das dadurch verdiente Geld war nicht sein Freund und wollte immer weg von ihm. Er gab es immer schneller aus, als es hereinkam, sodass sein Kontoauszug irgendwann auch nur eine visuelle Aufzeichnung von merkwürdigen Entscheidungen war.
Um das verprasste Geld wieder auf sein Konto zu bekommen, versuchte Edgar es mit Sportwetten. Gewonnen hat er eigentlich nie, versuchte es aber immer wieder mit höheren Einsätzen und flüsterte sich selbst immer wieder den Satz „Ein Gewinner ist ein Verlierer, der es noch einmal versucht hat“ zu, um sich Mut zu machen. Irgendwann war er so verzweifelt, dass er sogar auf Hunderennen in Tadschikistan und der Mongolei setze, natürlich auch ohne Erfolg. Mit der Zeit wurde er immer lethargischer, schon fast katzengleich, denn die stehen auch nur auf, um sich woanders wieder hinzulegen. Er wartete Jahr um Jahr auf seinen zweiten Frühling, aber bei seinem Glück roch der immer wieder nach aufgetautem Hundekot.
Edgar hatte ein Liebesleben gleich null, weswegen er auch seit mehreren Jahren Stammgast in Gerdis Liebeslaube war. Aber dort hatte er seit einigen Wochen Hausverbot, was kein Wunder war, denn mit seiner Anwesenheit wurde es stets ein Stressfreier-Abend. Die Zeche prellen war das eine Problem, aber da er dem Alkohol sehr zusprach und in Siggis Hopfenklause Dauergast an der Theke war, quasi schon am Holz klebte, machte ihn das sehr oft zu einem unangenehmen Gast. Früher hatte er den Frauen den Kopf verdreht, in den letzten Jahren Gerdis Mädels nur noch die Augen.

Der Tod von Edgar hat auch Auswirkungen auf das Leben von Beth Midwelton aus Sidney. Beth wurde vor einigen Jahren dadurch bekannt, dass sie in Sydney als Werbung für eine Keith Haring-Ausstellung 17 Stunden regungslos auf einer Wiese lag. Passanten glaubten an eine Straftat, die Polizei hatte sogar schon damit begonnen, ihren Körper mit Kreide zu ummalen. Das dadurch erreichte Medienecho machte sie quasi zu einem australischen Edgar Wülleke. Das blieb den Amerikanern natürlich nicht verborgen und so bekamen die Edgar und Beth vor Kurzem den Auftrag, zusammen nacheinander für jeweils ca. 15 Stunden die drei Os vom Hollywood-Schriftzug zu formen, um diese mal wieder zu restaurieren.
Dazu wird es nun leider nicht kommen, da Edgar im jetzigen Zustand nur noch den Strich beim H, L, W oder D darstellen könnte, die aber momentan nicht erneuert werden sollen.