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Der blinde Zungenmaler aus Kaufbeuren

Die Autorin Helena Maria Heberle-Schneiderköcking schreibt in ihrem Buch „Wenn dir gebratene Tauben in den Mund fliegen, bist du nicht im Wiener Wald, Johnny“ keine Sätze, sie lässt Gemälde in unserem Kopf entstehen. Die Herzenswärme tritt aus jedem Absatz hervor und formt ein wohliges Gefühl, wie es sonst nur 2 Tassen Oolong-Tee schaffen. Dieses Buch in die Hand zu nehmen und aufzuschlagen, ist der erste Schritt für einen Moment der Einkehr. Die Texte sind so federleicht, dass die 1200 Seiten kein unüberwindbares Hindernis darstellen, sondern man Seite für Seite den Gedanken verschiebt, dass dieses Buch endlich ist.

Traumwandlerisch nimmt sie den Leser an die Hand und vermittelt ihm den Eindruck, den Protagonisten Johnny, der als Blinder Zungenmaler in Kaufbeuren seinem Broterwerb nachgeht, schon ein Leben lang zu kennen. Mit seinem hyperaktiven Rauhaardackel Alois, der nachts immer mit seinen kleinen Beinchen Meter um Meter auf einem Laufband macht, das er mit einem Spezialschalter mit seiner Schnauze starten kann, lebt Johnny in einem 31 qm Loft und wird durch die monotonen Trippelgeräusche um den Schlaf gebracht.

Heberle-Schneiderköcking beschreibt in diesem Buch ein Leben des ewigen Scheiterns, wobei es auch einige kleine Lichtblicke gibt, die sie aber dann durch einen mit der feinen Klinge geführten Sarkasmus wieder ad absurdum führt. So erfand Johnny in den 90er Jahren die Sportart Huleikula. Hierbei handelt es sich um Hula-Hoop Eiskunstlauf. Hierbei absolviert man seinen Lauf auf dem Eis immer in Verbindung mit einem Hula-Hoop-Reifen. Johnny sprang als einziger n einer Kür einen 3-fachen Jürgen (dreifache Schraube mit drehendem Reifen um die Hüfte), zwei 2-fache Sascha (doppelter Salto mit drehendem Reifen am Hals) und absolvierte eine 3-minütige Hernandez-Pirouette (Kufendrehung, bei der man mit dem Reifen mindestens 20 Seilsprungbewegungen durchführt). Leider setzte sich der Sport nie wirklich durch, es gab weltweit nur 7 Sportler, die sich dafür begeisterten. Johnny wurde trotz Blindheit 3 mal Weltmeister in dieser Sportart, was aber in der Sportpresse keine Erwähnung fand.

Im Jahr 2002 brachte er ein Kochbuch heraus, das nur in Suaheli auf den Markt gebracht wurde. Der Inhalt: Waschbär gekocht, gebacken und gebraten. Ganze 5 Exemplare wurden verkauft, wie Heberle-Schneiderköcking in Ihrem Buch schreibt.

Ein Leben voller Fehlentscheidungen, die in einer Tragödie enden. Johnny änderte eines Tages seine maltechnischen Versuche von Acryl auf Ölfarben und verstarb 3 Monate später durch die dauerhafte Einnahme von Terpentin, das er zum Mischen seiner Farben nutzen, an einer Vergiftung. Sein Dackel machte zu der Zeit gerade seinen nächtlichen Spaziergang auf dem Laufband.

Helena Maria Heberle-Schneiderköcking sichert sich mit diesem Werk endgültig einen Platz in der Weltliteratur. Mit diesem Buch wird sie sicher an die Erfolge von „Sieben Morgen, eine Woche, viel Land“ und „Schattenspiele – Canasta mit zwei Marktfrauen unter einer Linde im Sommer 1993 in Bielefeld“ anknüpfen.

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