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Alter Falter

Luigi Falena (74) war der beste Pizzabäcker im Ruhrgebiet. Sein Teig legendär, seine Beläge suchten ihn ihresgleichen. Der Käse war so gleichmäßig verteilt, dass man meinte, er hätte ein Raster genutzt. Die Pizzeria, in der er der Maestro della Burata, Esperto di Tonno und Gran Maestro del Salame war, gehörte Angelo Luttino (87), seinem besten Freund. Sie waren unzertrennlich, sie waren die Senori Pomodori. Seit jeher verfügte die Speisekarte über 12 traditionelle Variationen aus dem Pizzaofen. Kein Obst, kein Chichi, einfach Dolce Vita. Eines Tages aber sackte Angelo beim Espresso Doppio zusammen und wurde nicht mehr wach. Schlecht für Luigi, denn erstens hatte er seinen guten Freund verloren und zweitens übernahm Angelos Sohn Salvatore (23) den Laden. Dadurch wehte ein anderer Wind, denn statt Mozzarella lag jetzt Analog-Käse auf der Pizza und die Speisekarte wurde „modernisiert“. Plötzlich gab es Pizza Hawaii, Schokoladenpizza und sogar eine Pizza Spritz, bei der der Teig mit Aperol getränkt war. Bei dem Gedanken daran stellten sich seine Nackenhaare auf. Er entschied jahrelang selbst, welche Pizza er „traditionale“ bei 500 Grad um 360 Grad drehte, um sie fertigzustellen. Er konnte sich mit den Neuerungen nicht anfreunden, ging in den Streik, kaufte selbst Mozzarella und schmuggelte ihn auf die Pizza. Die neuen Kreationen ließ er regelmäßig untenrum verkohlen, den Aperol ersetzte er durch reinen Alkohol, sodass die Pizzavariante ständig im Ofen flambierte. Einmal übertrieb er es mit der Alkoholmenge und es kam zu einer kleinen Verpuffung. Luigi wollte seine Pizzakreationen nicht backen, das wurde Salvatore mehr als klar. Dadurch war für Luigi kein Platz mehr am Ofen. Aber kündigen konnte Salvatore ihn auch nicht, dafür war er zu lange im Betrieb. Er brachte es nicht übers Herz, Luigi zu feuern, fürchtete er doch, dass sich sein Vater deshalb im Grab herumdrehen würde. Dass er durch die Neuordnung sicherlich jetzt schon rotierte, bedachte er dabei nicht. Er gab Luigi eine neue Aufgabe, ließ ihn nur noch Kartons vorbereiten, um ihn so zum Kündigen zu bringen. Aber Luigi ließ sich nicht vertreiben, nannte sich selber nur noch stolz einen „Vecchio Farfalla“. Und so arbeitet Luigi nun als „Alter Falter“ der Rente entgegen, denn einen Luigi Falena bricht man nicht. Und ihr wisst nun auch, woher der Begriff „Alter Falter“ stammt.

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