Hans-Günther Kotlewaski Junior ist nicht irgendwer, nein er ist der letzte Vertreter DER Streebsprenger-Dynastie überhaupt. DIE KOTLEWASKIS.
Sein Opa Anselm Gottlob Kotlewaski war weit über die Bergbau-Grenzen Deutschlands für seine Sprengkünste bekannt. Er sprengte alles weg, was ihm vor den Zünder kam und war gerne alleine mit sich und dem Sprengstoff. Er war ein Misanthrop durch und durch, daher liebte er seinen Job mehr als seine Frau. Feste Arbeitszeiten kannte er nicht, er war eigentlich immer unter Tage (Manchmal sogar tagelang ohne Unterbrechung), was ihm auch den Spruch „Streeb, Streeber, Kotlewaski“ einbrachte. Nach dem Renteneintritt war er zu sehr das Alleinsein unter Tage gewohnt und konnte es kaum ertragen, seine Frau Maria täglich zu sehen, was auf Gegenseitigkeit beruhte. So sagte sie ihm eines Morgens statt „Reichst du mir bitte mal die Butter“ aus Versehen „Du Spinner hast mir das ganze Leben versaut.“ Zusammen blieb man natürlich trotzdem, was hätten denn sonst die Nachbarn gesagt? Und der Herr Pfarrer, zu dieser noch christlich-scheinheiligen Zeit? Der wäre ja wegen des Zölibates froh gewesen, seine Angelika nicht nur als Haushälterin haben zu dürfen.
Sein Vater Hans-Günther Kotlewaski Senior war der Titan unter den Sprengern. Seine Sprengungen waren Kunstwerke, die Fotografen dazu animierten, auch die beschwerlichste Reise anzutreten, um ein Foto von den Werken, die an Kunst von Dürer, Van Gogh oder Munch angelehnt waren, machen zu können. Unvergessen bleibt aber sein Kunstwerk „Folie a Deux“, bei dem er mithilfe einer selbstgelöteten Heissluftpistole mit insgesamt 678 Meter Schrumpffolie zwei Streeb-Enden versiegelte, was zu damaliger Zeit als revolutionäre Kunst galt. Er hatte danach viele Angebote aus dem In- und Ausland, die er aber der Liebe wegen nicht annahm. Seine Frau Erika wollte nicht weg, daher blieb auch er und erhandelte sich so einige Privilegien. Zum Beispiel, dass ihm seine Frau täglich das Essen unter Tage bringen durfte, was dann eines Tages dazu führte, dass die hochschwangere Erika ihren Sohn während der Einfahrt ins Bergwerk im Förderkorb bekam. Daher steht in Hans-Günther Kotlewaski Juniors Ausweis auch Förderkorb, Schacht 231, 4. Sohle als Geburtsort. Erika hatte beim Standesamt drauf bestanden, was ja auch verständlich ist, wenn man sich vorstellt, dass als Geburtsstuhl eine mit Kohle gefüllte Lore diente und die provisorische „Kreißsaal-Lampe“ aus 17 Stirnlampen der umstehenden Bergleute bestand. Seitdem verselbstständigte sich für Sturzgeburten die Redewendung „Den Kotlewaski machen“
Aber kommen wir nun zu Hans-Günther Kotlewaski Junior. Er hatte diese künstlerische Ader von seinem Vater geerbt und war ebenfalls Strebsprenger aus Leidenschaft. Zusammen mit Björn Matzerek alias Bohrhammer-Björn“ und „Schrämmmaschinen-Manni“ Manfred Ladwarzak (auch „Schrämme“ genannt) bildete er die Industrial-Band „Coal and the Spreng“, die Sprengungen, Schrämmungen und Bohrungen zu einem unverwechselbaren Sound vereinten. Durch seine Schwerhörigkeit musste Hans-Günther seinen Beruf nebst Band an den Nagel hängen und die beiden anderen machten alleine weiter, nun unter dem Namen „Coal and the Schrämm“.
Hans-Günther arbeitete fortan bei der „Rentner-Gema“ Hildegard. Denn seine Frau beauftragte ihn täglich mit Botengängen und Co. „Gema Einkaufen“, „Gema Wasser aus dem Keller holen“ oder „Gema den Rasen mähen“ schallte es durch die Wohnung. Manchmal tat er so, als würde er es nicht hören, dann legte Hildegard ihm einfach einen Zettel hin. Das hätte sie auch besser am Silvestermorgen vor 3 Jahren machen sollen, als sie ihm aus dem Wohnzimmer „Komm ja nicht ohne Krapfen zurück“ hinterherrief, als er auf dem Weg zum Supermarkt war. Leider verstand er Karpfen und genau den bekam er in keinem Laden. So schnappte er sich sein Angelzeug und machte sich auf den Weg zum nahegelegenen Weiher.
Mehrere Stunden fing er nur kleine Forellen, dann aber hatte er einen Karpfen am Haken, ein echt widerspenstiges Biest. Beim an Land ziehen verlor er das Gleichgewicht auf dem glitschigen Untergrund und prallte mit dem Hinterkopf auf einen Stein. Er hatte plötzlich Stimmen im Kopf, also nicht nur eine, sondern quasi eine ganze Familie. Erklären konnte er es sich nicht, aber es waren die Fische, die er am Leben gelassen hatte. Er nahm den Karpfen mit nach Hause und unterhielt sich auf dem Weg gut mit ihm.
Hans-Günther fühlte sich plötzlich wie ein Karpfen-Orakel und konnte Jeremy, wie der Karpfen sich selber nannte, nicht töten. Er quartierte ihn in der Badewanne ein, was ihm natürlich Proteste seiner Frau einbrachte. 4 Wochen gingen sie dann im örtlichen Schwimmbad duschen, um der Körperpflege trotz blockierter Badewanne nachgehen zu können. Das war zu viel für sie, keine Krapfen, ein von einem Karpfen bevölkertes Badezimmer und ein Ehegatte, der sich wie ein Fischflüsterer fühlte. Sie ertrug das alles nicht mehr und setzte ihren Gatten nebst Jeremy vor die Tür. Der machte das Beste draus, trainiert mit dem Karpfen eine Wahrsagernummer nebst Kartenlegen unter Wasser und brachten ihm lustiges Augenrollen bei. Zuerst arbeiteten Jeremy und er von einer neuen Wohnung aus für einen Astrologie-Fernsehsender. Nach einem halben Jahr wurden ihnen die Geschichten der Anrufer aber zu langweilig, deshalb baute Hans-Günther seinen Van um, stattete ihn mit einem Aquarium aus und konnte so Jeremy und sich transportieren.
Nun ist er auf den Kirmesplätzen Deutschlands zuhause und lebt seinen Kindheitstraum, denn er ist der junge Mann zum Mitreisen, er ist Jeremys junger Mann zum Mitreisen. Er teilt sich einen Kirmes-Stand mit Jochen Schwertek, der unter dem Künstlernamen Jochen mit Rochen die Besucher begeistert. Bei Jochen sieht man zum Beispiel Henk, den Rochen, der mit den Flossen 3 Spielzeugtaucher unter Wasser jongliert oder auch den Babyrochen Luc, der von einem Aquarium zum anderen springt und dabei mit den Flossen einen Zauberwürfel löst. Jeremy begeistert mit Kartenlegen, lustigen Grimassen und neuerdings mit Tanzeinlagen a la Fred Astaire, die ihm Henk der Rochen beigebracht hat, da er die Nummer selber altersbedingt nicht mehr durchführen kann.
Alles für 8 Euro pro Show, alle 15 Minuten geht es von vorne los. Hans-Günther ist glücklich, einfach nur glücklich. Und durch Jeremy und seine Stimmen im Kopf nicht alleine.